Samstag, 25. April 2009

Gedanken sortieren

Gedanken sortieren - so nenne ich das oft, wenn ich Briefe schreibe. Oft schicke ich diese Briefe gar nicht ab, dienen sie in manchem Fällen doch wirklich nur zum sortieren und überdenken der eigenen Situation.
Als Sarah noch bei mir war, hab ich sehr oft Briefe geschrieben - meistens an unseren Diakon, der mir in diesen Zeiten immer zur Seite gestanden ist.
Manche Worte dieser Briefe hat er dann auch beim Begräbnis erwähnt und es auch dadurch so persönlich und liebevoll gestaltet.

Vorgestern war ich wieder am Grab. Es "schön" machen - weil zwei Begräbnisse in der gleichen Reihe waren :-) (meiner Schwiegermama war das ganz besonders wichtig).
Und da doch einiges zu tun war, habe ich viel Zeit gehabt meinen Gedanken nachzuhängen.
Da denke ich dann nach, über die Zeit als Sarah bei uns war; wie wir erfahren haben, dass sie sehr krank ist; über die Hoffnung, die man trotz genauer Diagnose immer noch in sich trägt; über die Menschen, die einen begleitet haben; was wohl aus ihnen geworden ist.

Ich denke aber auch darüber nach, wie es wohl dem ein oder anderen heute mit der Situation von damals heute geht.
Vor allem denke ich darüber nach, wie viele Kinder das miterleben mussten. An erster Stelle natürlich meine Schwestern, die ja wirklich noch "Kinder" waren. Wie sind sie damit zurecht gekommen, haben sie irgendeine "Angst" mitgenommen. Ich weiß von Erwachsenen, für die das so schlimm war, dass sie entschieden haben, keine Kinder zu bekommen.
Wie mag es dann erst für die Kinder gewesen sein. Darüber habe ich mir damals nur wenig Gedanken gemacht, war ich doch zu sehr mit mir selbst beschäftigt.

Ich denke auch über alle Personen nach, die damals WIRKLICH für uns da waren. Über unsere Freunde, die am Tag nach Sarahs Tod in aller Früh hier vorgefahren sind und bei uns waren - den ganzen Tag, einfach nur bei uns waren. Die jeden Abend gekommen sind und mit uns gegessen und getrunken haben, die SMS gesendet haben um uns mitzuteilen, dass wir jederzeit vorbei kommen können; ich denke an unseren lieben Freund, der Bestatter ist, als er zur Tür hereingekommen ist, um Sarah abzuholen und seine Worte waren "Ich habe mich immer vor diesem Tag gefürchtet!". Diese Worte waren so berührend für mich..
Manchmal überlege ich auch, ob diese Personen wissen, wie dankbar ich ihnen bin - wirklich dankbar, so dankbar, dass man es mit Worten gar nicht ausdrücken kann!

Und dann denke ich auch über heute nach. Wie es für manche heute ist. Auch für Peronen, denen ich jetzt erst begegne. Wie ist es für sie, wenn ich sage, ich habe drei Kinder. Überfordere ich sie damit. Manchmal denke ich, ich sollte das verschweigen und erst erzählen, wenn sich eine Beziehung zu diesem Menschen aufbaut. Aber kann ich das - Sarah verschweigen. Immerhin habe ich sie neun Monate in meinem Bauch getragen, war ein Jahr mit ihr zusammen, hab sie gepflegt, gewickelt, gefüttert. Wie könnte ich diese Zeit verschweigen - mein Kind verschweigen, nur um es der Umwelt angenehmer zu machen?

Einige Male habe ich auch gehört, ich solle doch endlich aufhören, an Sarahs Geburtstag und Todestag zu erinnern. Sie ist tot und das soll ich doch hinnehmen. Damals war ich ziemlich verletzt - kam es leider auch von einer Person, die noch keine Kinder hat - heute weiß ich, dass ich nie damit aufhören werde. Aber ich mache es hier - da kann jeder lesen, der möchte und wenn es jemandem unangenehm wird, kann er zu machen...

Also, morgen vor sieben Jahren hat uns unsere kleine Sarah verlassen. An ihrem Todestag, hatten wir noch ganz viel Besuch. So viele sind gekommen, haben sich auf den Weg gemacht, weil wohl alle gespürt haben, dass es nicht mehr lange dauert. Meine Eltern, Schwiegereltern, Tanten, Onkeln, Schwestern, Cousins, Cousinen, Freunde - alle waren sie da. Und am Abend als alle weg waren und wieder Ruhe eingekehrt war, ist Sarah auf Papas Arm eingeschlafen.

Für immer wird diese Zeit in meinem Herzen sein und nie werde ich aufhören an diese Tage zu denken...

1 Kommentar:

Judith hat gesagt…

Verschweigen und hinnehmen - ich denke nicht, dass eine Mutter das jemals kann.


Alles Liebe,
Judith